Aktuelle Nachrichen

„Gschneizt und kampelt“ – oder auch mit normalem „Gwanda“ kamen die Gäste am Freitag zum ersten Dialektabend nach „Diafadol“. Das „Feierwehrhaisl“ war bis auf den letzten Platz gefüllt. Von der bairischen Grammatik über Gedichte bis hin zur Musik hatte die Kulturbeauftragte Lena Schöberl ein kurzweiliges Programm eingefädelt. Ein Beitrag zur Dialektförderung, die im Wörther Kulturentwicklungsplan festgeschrieben ist.

„Schau ma mol, wos wird“, eröffnete sie den Abend und gab eine Einführung in die bairische Sprache, die man mit „i“ schreibt – im Gegensatz zum geographisch gemeinten „Bayern“. Als Dialekträume skizzierte sie das Südbairische in Garmisch, Tirol und Kärnten, daneben das Mittelbairische, das man beispielsweise am „Stui“ (Stuhl) oder der „Dankstei“ (Tankstelle) unserer niederbayerischen Nachbarn erkennt. Und das Nordbairische in der Oberpfalz, Mittel- und Oberfranken, wo man die gestürzten Diphthonge hört, also Doppellaute wie in „Bou“ (Bub) und „Brejf“ (Brief). Zur Verbreitung der verschiedenen Dialekte erklärte Schöberl: „Ein Fluss, Moor oder ein großer Wald waren natürliche Dialektgrenzen, die Leute sind dort halt nicht weitergekommen.“ So sei etwa die Donau eine solche Grenze gewesen.

Und was ist nun typisch bairisch? Eberhard Kranzmayer, der „österreichische Dialektpapst“, beschreibt Kennwörter, die man im ganzen bairischen Dialekt so höre, zum Beispiel „es“ und „enk“ (ihr/euch) oder den Fasching. Daneben gebe es noch gotische Lehnwörter, etwa die „Dult“ oder den „Pfinsta“ (Donnerstag). Und dann ist da noch das typisch bairische „a“: Dumpf wie bei der „Katz“ oder hell wie in „Katzerl“.

Schließlich machte Lena Schöberl mit den Zuhörern noch einen Abstecher in die Grammatik. Von den Fällen werde der Genitiv auf besondere Weise gebildet: „de Hosn vom Voda“ oder „an Voda sei Hosn“ (Vaters Hose). „Wir haben vier statt sechs Zeiten, die erste Vergangenheit gibt’s im Bairischen nicht.“ Als bairischer Dialektsprecher meinte man eben nicht, sondern „ma hat halt gmoant“. Beim Konjunktiv, bei dem sich mancher während der Schulzeit womöglich sicher war, „koan Konjunktiv werd i mein Lebda nia ned braucha“, waren die Zuhörer in Tiefenthal alle einverstanden mit den bairischen Konjunktiv-Hilfsverben „dad“, „hätt“ und „waar“.

Nach diesem kurzen Dialekt-Unterricht berichtete Schöberl aus ihrer eigenen Erfahrung als Lehrerin über den Status des Bairischen in der Schule. Im Lehrplan werde sogar mehr Dialekt gefordert. „Das ist aber noch nicht bei allen angekommen“, verwies sie mit einem Wink in Richtung mancher Kollegen und Schulleiter, die den Dialekt gar als „Zumutung“ bezeichneten. Immerhin hätten die Frage „Sprechen Sie Dialekt?“ noch 72 Prozent in Bayern mit ja beantwortet.

Der Dietl Kare spielte anschließend zur Pause zünftig mit seiner „Quetschn“ (Akkordeon) auf, um zum zweiten Teil des Abends überzuleiten. Bernhard Lohmeier trug spontan das romantisch angehauchte Gedicht „Donaubatzerln“ vor, das ihn an seine Kindheit erinnere, und Johann Fenster gab weitere, ganz humorvolle Gedichte von Josef Feller zum Besten. Der Mundartdichter, Buchhändler und Verleger war gebürtiger Wörther, lebte später in Chemnitz und ist noch heute Namensgeber für die Straße zwischen dem Gasthof Geier und der „Rutschn“. Eine Uraufführung folgte mit der „Diafadola Arie“ (Tiefenthaler Arie) vom Dielt Done mit der eingängigen Refrainzeile „Ja wir san Diafadola, des solln alle segn, wir liam alle Leit, de all weil ham a Freid.“

Alle Anwesenden waren schließlich bei zwei Runden „Woaßt as“ gefordert: Gemeinsam wurden allerlei bairische Ausdrücke zusammengetragen, die man heute mal mehr, aber oftmals auch immer weniger hört. Hier und da wurde gerätselt, wer oder was denn die „Wam“, der „Wischbam“, die „Umhouderer“, der „Bifing“ oder die „Nasch“ seien und wann man „arschling“, „säh“ oder „sched“ sagt. Sicher ist jedenfalls, dass der erste Dialektabend keinesfalls „lusert“, sondern eine „Gaudi“ für alle Anwesenden war.

[Text und Bild: Bettina Dums, Donau-Post]

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Das Gasthaus Liebl wurde am Samstagabend in ein Irish Pub verwandelt, wofür das Duo Bangers & Mash mit seinen irischen Songs verantwortlich war. Kein Platz war mehr frei in der Gaststube und im Nebenraum, das Ambiente und die Ankündigung des geselligen Abends zog etliche Besucher aus nah und fern an.

Den Arbeitskreis Kultur mit Sprecher Eduard Ebenbeck freute es, dass die Veranstaltung gut angenommen wurde. Zur Kultur der Irish Pubs gehören Musik und Kommunikation, die für die Pub-Kultur einzigartige Wohlfühlatmosphäre konnte erzeugt werden. Das Pup-Duo Bangers & Mash bestehend aus Max Leo und Benedict Kutzer führten dabei souverän durch den Abend. Die irische Volksmusikband aus Regensburg spielten Songs aus Irland und Schottland. Bei einigen Stücken wirkte Marion Weickl als Gastmusikerin mit.

[Text und Bild Sandra Meilinger, Donau-Post]

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Gestern haben sich die Verantwortlichen von Donau.Wald.Kultur getroffen.

Bei dieser Gelegenheit haben sie Wilma Rapf-Karikari und Isabella Binder aus ihrem Kreis verabschiedet. Weitere Themen waren:
- 2024 soll es endlich wieder ein Brettl geben. Dieses Mal in Wörth
- Alte Hausnamen sollen vor dem Verschwinden bewahrt werden und es soll erforscht werden, wie sie entstanden sind. Offen ist noch, ob das Projekt in den vier Donau.Wald.Kultur-Gemeinden oder gleich in allen ILE-Gemeinden umgesetzt wird
- 2024 soll ein Abend veranstaltet werden, bei dem bairische Schriftsteller und bairische Musik geboten wird. Nein, kein bunter Abend und auch kein Heimatabend!

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Klaus Schwarzfischer las im Bürgersaal aus „Waidler, Wölfe, Sensationen“

Wie viele echte Waidler werden bei der Lesung „Wölfe, Waidler, Sensationen“ am Sonntagabend im Bürgersaal wohl im Publikum gesessen sein ? Das ist schwer zu sagen, wenn man dem Autor Klaus Schwarzfischer glaubt. Ihm zufolge existieren nämlich nicht einmal Beweise, dass es überhaupt Waidler gibt.

Indizien, ja, die gibt es. Aber ob der Mann in Feuerwehruniform, der von seinem E-Bike halb begraben neben der Straße liegt und keinen verständlichen Satz herausbringt, ein Waidler ist ? Es könnte sich ebenso gut um einen Touristen handeln, der sich zur Tarnung umgezogen hat. Wenn aber Waidler existieren, dann lässt sich laut Schwarzfischer ganz genau sagen, seit wann: „Den Waidler gibt es seit drei Tagen nach dem Nichts. Denn dann schuf Gott die Bäume.“

Ohne Bäume geht es einfach nicht

Die Bäume tauchen in Schwarzfischers Lesung an diesem Abend immer wieder auf. Beispielsweise analysiert er den Text von „Mia san vom Woid dahoam“, nachdem er ein paar Takte mitgesungen und ihn dann vorgelesen hat. In dem Lied werde die Schönheit von Frauen danach bemessen, wie sehr deren Körperbau einem Nadelbaum ähnle, also „tonnen- bis kegelförmig“ – bestenfalls ungewöhnlicher Geschmack.

Selbst auf die Fußballplätze hätten es die Bäume in gewisser Weise geschafft, nämlich in die Fußballersprache. Je weiter man in seiner Jugend in den Wald hineingekommen sei, desto häufiger sei beim Fußball das Wort „hauen“ gefallen. Der Fan, der einen Spieler auffordert, einem Gegner den Haxen abzuhauen, übertrage seine Arbeit als Holzfäller auf das Spiel: Der Gegner ist ein Baum, den es umzuhauen gilt. Nur einen aber, nicht die ganze gegnerische Mannschaft. Denn stehen keine Bäume mehr, ist der Holzfäller arbeitslos.

Zwischen die Vorlesestücke baut Schwarzfischer Lieder ein, gern mit Filmen kombiniert. Manchmal lässt er den Film auch für sich selbst stehen, wie etwa Ausschnitte aus Lisa Eders „Der Wilde Wald“. Dass man den Wald nicht nur mit Wohlfühlmusik wie dem erwähnten „Mia san vom Woid dahoam“ in Verbindung bringen kann, zeigt Schwarzfischer mit dem Gangsta-Rap des Räubers Michael Heigl.

Vor dem Sprechgesang widmet sich Schwarzfischer noch der Sprachenkunde. Der Waidler – mal angenommen, es gibt ihn – spreche praktisch nicht, sagt Schwarzfischer. Das liege an seinem Selbstverständnis. „Der Waidler weiß, was er zu tun hat, warum drüber reden ?“ Ehepaare hätten jahrzehntelang ohne Worte und dennoch erfolgreich, vielleicht sogar glücklich, zusammengelebt. Dass sich an diesem Abend Waidler im Publikum befinden, ist wie gesagt schwer zu beweisen. Eins steht aber fest. Das Publikum weiß, was zu tun ist, wenn einem der Abend gefallen hat – nämlich kräftig applaudieren.

[Text Maximilian Eibl, Donau-Post; Foto Johann Festner]

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Rudi Zapf und Freunde geben das Neujahrskonzert für Kultur in Wörth: Die Geschichte einer furchtlosen Klangreise über alle musikalischen Grenzen hinweg

Pedalhackbrett – ein Wort, mit dem man Anstrengung verbindet. Ein bisschen Tour de France schwingt da mit. Und wirklich kommt Rudi Zapf zwischen den Stücken ganz schön ins Schnaufen, japst zwischen Ansagen nach Luft in diesem außergewöhnlichen Neujahrskonzert im Wörther Bürgersaal.

Das Instrument ist daran freilich schuldlos: Es ist eher Zapf, der in fingerbrecherischer Geschwindigkeit seine Klöppel über die Stahlsaiten tanzen lässt. Dabei malen seine Hände in den lauten Passagen ausladende Bewegungsgemälde in den Luftraum über seinem Instrument – während er in den zart klingenden, zurückgenommenen Teilen wirkt wie ein Uhrmacher, der einen wertvollen Rubin in das Lager der Unruh einsetzt.

Dabei ist Zapf stets selbst Uhrwerk und Taktgeber – wobei „Zeit“ zum relativen Begriff wird bei Multiinstrumentalist Zapf, Sunny Howard an der Violine und Gitarristin Ingrid Westermeier: Am Ende dreht sich jedes Stück einfach immer schneller, samt rasantem Schlussspurt auf der Zielgeraden. Kein Wunder, dass Zapf zwischen den Stücken Luft holen muss.

Drei Musiker, die anschieben für vier

Die Musiker lachen in echter, kindlicher Freude miteinander, wenn der Dreierbob im Grenzbereich durch eine musikalisch besonders knifflige Passage gekommen ist: Wohl auch aus echter Erleichterung, da mit dem erkrankten Bassisten Ludwig Klöckner ein Anschieber fehlt.

Grenzgänger sind Zapf, Howard und Westermeier nicht nur im Spiel, sondern auch in der Auswahl ihrer Stücke. Da es ohne Walzer ja nicht gehe in einem Neujahrskonzert, sagt Zapf, beginne man mit einem Walzer aus der Steiermark. Von da aus gehe es musikalisch nach Venezuela und zurück ins andere Voralpenland zu einem Walzer vom Tegernsee. Mühelos überspringen die drei Musiker Hunderte Jahre musikalischer Tradition, über Kontinente und Völker – von Klezmer über Irish Folk, die Klänge Brasiliens, Bayerns und der ungarischen Steppe hinweg.

Auf dem Vibrandoneon – einer Art Melodica mit der Tastatur eines Knopfakkordeons – spielt Zapf den Walzer 4 aus der Jazz-Suite Nummer 2 von Dmitri Shostakovich als seelenvolles Klagelied. „Vom Putin lassen wir uns die Tradition der russischen Musik nicht verderben“, sagt Zapf trotzig. So springen die Musiker von Shostakovich, dem zeitweise politisch Verfolgten, zu einem ukrainischen Volkslied, zurück in die Musiktradition Kareliens. Soviele Klangfarben auf Höchstgeschwindigkeit frisiert: Das zu stehen, ohne in Beliebigkeit abzugleiten, erscheint als Mammutaufgabe, die Zapf, Howard und Westermeier jedoch spielerisch meistern – samt völkerverbindendem Ansatz als frommer Neujahrswunsch.

Musik gegen den Ernst der Lage

Trotz aller – betont gekonnt vorgetragenen – Bravourstückerl nehmen die Musiker sich selbst und die Werke nicht allzu ernst. Das muss auch Johann Sebastian Bach erfahren: „Vom Bach spielen wir ein Präludium. Da habe ich früher eine halbe Stunde weitergespielt – sieben Sätze, nur Sechzehntel. Die Leute sind dann nach den ersten beiden Sätzen heimgegangen.“ Jetzt spiele man das Stück kürzer, „dafür spielen wir dann vom Bach einen Csárdás“. Auf die überraschten Gesichter, dass aus Bachs Feder ein ungarischer Volkstanz stammen soll, spricht Zapf, mit großen Augen und Unschuldsmiene: „Ja, das hat der Bach selbst gar nicht gewusst, dass er einen Csárdás komponiert hat.“ Einen Klezmer spielt Zapf dann kurzerhand auf den Außentönen seines Hackbretts, was überraschend sauber klingt, worüber er selbst erstaunt scheint.

Überhaupt: Zapfs gespielt überraschter Blick, die großen Augen, der bei jeder Bewegung leicht aufwallende Haarkranz geben ihm etwas Schelmenhaft-Hinterkünftiges, als wolle er eine Art Anti-Maestro sein, der mit den üblichen Eitelkeiten des Musikbetriebs nun so gar nichts anzufangen weiß. Das ist ebenso Markenzeichen der ganzen Gruppe, wie die Tendenz, das Tempo zum Ende eines jeden Stücks bis zum Anschlag zu steigern.

Zapf, Howard und Westermeier lassen die durchaus anspruchsvollen Stücke so leicht erscheinen, dass ihre wahre Meisterschaft im Eulenspiegel aufblitzt. Dieses Gesamtpaket entwaffnet und begeistert das Publikum: Die 70 Zuschauer folgen allen musikalischen Abstechern bereitwillig, glauben jeden Ton, klatschen, juchzen und lassen die Musiker immer wieder zur Zugabe antreten, bis diese nicht mehr so recht können.

Dieses Neujahrskonzert von Kultur in Wörth, es ist so ungewöhnlich, wie es die zurückliegenden Jahre waren. Das Jahr 2023, man möcht’ ihm ebenso schelmisch ein Schnippchen schlagen und souverän auf seinen Drahsteilen tanzen, wie Finger, Klöppel und Bogen dieser Musiker: unerschrocken und voller kindlicher Freude – welche Überraschungen das neue Jahr auch immer bringen mag.

[Text: Wolfgang Karl, Donau-Post]

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Die Puppenspielerin Tania Schnagl und Profi-Clown Stephan Zenger sind für ihre kreativen Kindertheaterprogramme bekannt. Mit dem Thema „Märchen“ traten die beiden Unterhalter am Sonntagnachmittag zur Kaffeezeit im Wörther Bürgersaal auf. Kultur in Wörth hatte geladen.

Tatsächlich gab es schon Tage vor dem Auftritt keinerlei Karten mehr zu kaufen. Den Kindern und deren Eltern wollte man poetische Geschichten und pfiffige Interpretationen von Märcheninhalten auf amüsante Weise darbieten. Eine bunte und abwechslungsreiche Revue an märchenhaften Szenen und verrückter Zauberei wurde es dann auch für die Zuschauer, bei der gerade die Kleinsten voller Begeisterung mitmachten, mitsangen, tanzten und lachten.

[Text Wolfgang Karl, Donau-Post; Bild Johann Festner]

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Den Blick hat Sven Ochsenbauer strikt auf die Leinwand gerichtet. Dort flimmern in schwarz-weiß mit einem Stich ins Sepia die hektischen Bilder des Stummfilmklassikers „Das Cabinet des Dr. Caligari“ über die Leinwand, während Ochsenbauers Hände über die Klaviatur des Flügels rasen: Ein Tumult herrscht in der Irrenanstalt – ein Wort, das man heute nicht mehr benutzen würde – und Ochsenbauer fängt es mit jazzigen, beschwingten Tönen auf.

Seine Patterns und Akkorde steigern sich in Geschwindigkeit und Lautstärke, bis zum unvermeidlichen Klimax. Szenenwechsel, Ochsenbauers Hände schleichen nun, streicheln nun über die Tasten: immer auf den Punkt, immer genau am Geschehen auf der Leinwand dran.

Entführung in eine längst vergangene Zeit

Am Anfang muss man sich daran gewöhnen: Das Erzähltempo eines Stummfilms ist naturgemäß gemächlicher als bei einem Tonfilm. Schließlich muss die Handlung immer über Texttafeln erzählt werden, nachdem die Mimen sie spielten. Das kostet Erzählzeit.

Doch hat man sich einmal an dieses Tempo gewöhnt, wird es spannend – und eine andere Sache wird viel wichtiger: der Musiker, der mit Verstand, Geschick, Einfühlungsvermögen und Gespür für die Szene den Film begleitet. „15 bis 20 Stunden hab’ ich das schon eingespielt“, sagt Ochsenbauer. Das ist für einen professionellen Jazz-Musiker wie den Viechtacher Ochsenbauer kein kleiner Zeitraum. Einfach aus der Hüfte schüttelt man solch eine Begleitung also nicht.

Doch ist das eine Komposition, die er auswendig lernt oder improvisiert er? „Die Motive sind vorgegeben, aber ich improvisiere auch viel“, sagt er. Dabei gebe es auch Stummfilme, die voll auskomponiert seien.

Jede Szene hat ihren ganz eigenen Klang

Es lässt sich nicht ganz einordnen, welche Musikrichtung das ist. Der Begriff „Programmmusik“ hilft nicht, gibt lediglich Auskunft über die Funktion der Töne. So swingen bei Ochsenbauer chaotische Massenszenen, wie im Hof der Anstalt. Wenn sich der Mörder langsam nähert, der Schatten sich über dem Bett aufbaut und das Messer sich dem höchsten Punkt nähert, nur um kurz darauf auf das wehrlose Opfer niederzugehen, sind es strenge, kurze, laute Töne: Das Teufelsintervall lässt grüßen.

Da werden Richter in schwerer, tieftönender Strenge vorgestellt und in Schmachtszenen lässt Ochsenbauer seine Hände in leichtfüßiger Melancholie tänzeln. Die Zuschauer erleben also nicht einfach ein Kino: Sie erleben ein fabelhaftes Programmkonzert, in dem Ochsenbauer anderthalb Stunden lang pausenlos Gefühl erklingen lässt. Erwecken die Bilder die Figuren auf der Leinwand zum Leben, verleiht ihnen Ochsenbauer erst Tiefe und Gefühl. Erst durch sein dramatisches Spiel wirkt die Theatralik der Schauspieler, ohne lächerlich zu werden. Man könnte sagen, Ochsenbauer spielt die Rolle der Würde. Denn in Stummfilmen mussten die Darsteller den fehlenden Ton durch großen Gestus ausgleichen. Das wirkt heutzutage manchmal ein wenig gekünstelt – mit entsprechender Musik wird es jedoch zur großen Show. Überhaupt bricht der Stummfilm mit den Sehgewohnheiten der Moderne – wird aber gerade dadurch zu einer spannenden Entdeckungsreise, samt windschiefen Landschaften in der Pappkulisse und arg ausdrucksstarker Maske.

Dass solch eine besondere Veranstaltung nur ein gutes Dutzend Menschen interessiert, das ist schade, für Künstler und Organisatoren gleichermaßen. Doch diese Enthusiasten durften einen hochspannenden, überraschenden Abend erleben, voller hochklassiger Musik und Filmkunst.

[Text und Bild Wolfgang Karl, Donau-Post]

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