Stimmgewaltiges Finale der Wörther Schlossfestspiele

von Johann Festner

Mit der Wörther Passion haben die Schlossfestspiele am Sonntag geendet. Die Chorsänger, Solisten und Instrumentalisten überzeugten mit Kraft, Konzentration – und viel Herzblut.

Als die letzten Stimmen verklungen und die finalen Trommelschläge verhallt sind, entspannt ein Lächeln das konzentrierte Gesicht von Angelika Achter. Die musikalische Leiterin nickt allen Mitwirkenden zu und zeigt mit beiden Händen dieselbe Geste: Daumen hoch.

Auch Ludwig Eiglmeier, der den Projektchor Wörther Passion mit Mitwirkenden aus der gesamten Region zusammengestellt hat, legt einen strahlenden Gesichtsausdruck auf, als er nach vorne tritt. Er dreht sich um und applaudiert dem Chor.

Und das Publikum in der Stadtpfarrkirche? Applaudiert ebenfalls, zu einem erheblichen Teil stehend, als die kirchenmusikalische Darstellung der Leidensgeschichte Jesu am Sonntagabend zu Ende ist.

Variationsreich und stimmgewaltig, so lässt sich die Wörther Passion charakterisieren, die nicht umsonst so heißt: Sie wurde eigens für Wörth komponiert und geschrieben. Die Musik stammt von Peter Wenk. Das Libretto, also den Text, hat Michael Herrschel verfasst. Im März 2013, vor über zwölf Jahren, ist die Wörther Passion in der Stadtpfarrkirche zur Uraufführung gekommen. Ein Jahr später folgte eine Wiederholung in Frauenzell. Und jetzt, am vergangenen Sonntag, bildet das Werk gleichsam den Schlussakkord der Schlossfestspiele und rundet zwei Kulturwochenenden ab.

Es ist eine erstklassige Symbiose, die in der Kirche erklingt. Da ist zum einen, natürlich, der Projektchor, mit dem Eiglmeier ein anspruchsvolles Repertoire einstudiert hat. Da sind zum anderen die vier Solisten: Sopranistin Barbara Saller, Tenor Rupert Schäffer, Bariton Tobias Hänschke und die Kinderstimmensängerin Franziska Rupprecht. Und dann ist da noch ein vierzehnköpfiges Instrumentalensemble, das den Gesang unterstreicht und begleitet: mit Streichinstrumenten wie der Viola, dem Cello oder dem Kontrabass, aber auch mit Trompeten, Posaunen, einer Klarinette, einem Tenorhorn, mit dem Schlagzeug und mit einer Orgel.

All diese Beteiligten und Elemente fügen sich im Altarraum zu einem großen Ganzen. Ein Rädchen greift ins andere, die Abstimmung funktioniert reibungslos, Gesang und Instrumente harmonieren, ergänzen sich, was ein hohes Maß an Konzentration voraussetzt. Die Verantwortung dafür trägt die Frau ganz vorne in der Mitte: Angelika Achter, die seit über 30 Jahren als Dirigentin, Chorleiterin, Klavier- und Gesangslehrerin aktiv und Kulturbeauftragte der Stadt Neutraubling ist.

Angelehnt an die Bibel, aber neu interpretiert

Die Wörther Passion, so viel lässt sich sagen, atmet etwas Modernes. Der Text, den Herrschel den Wörthern geschrieben hat, ist zwar an den historischen Bibeltext angelehnt, weicht aber erkennbar davon ab. Herrschel hat die letzten Stunden Jesu völlig neu interpretiert, er schildert sie schnörkellos-klar. Und erschließt so neue Zugänge.

Die vier Solisten übernehmen ihre Einzelparts mit ausdrucksstarker Stimme, mit durchweg sauberer, klarer Intonation und einem Sinn für Dynamik und Nuancen. Auch der Chor überzeugt mit Kraft, Einklang – und literweise Herzblut, wie deutlich zu spüren ist.

Peter Wenks Tonsprache in dieser Komposition kommt, genau wie der Passionstext, sehr modern daher. Sie lebt von einer großen klangfarblichen Palette und ist geprägt von einem wiederkehrenden Gegensatz: Mal wird der Gesang sehr laut, mitreißend, geradezu wuchtig – die dramatischen Klänge der Streicher, der Bläser und der Perkussionsinstrumente tun dazu ihr Übriges. Eine Sinfonie aus Schall und Energie rollt durch die Kirche. Dann wird es wieder sehr behutsam, feinfühlig, zart. Die Atmosphäre entspannt sich, löst sich auf.

Das Wechselspiel zwischen den Solisten und dem Chor treibt die Handlung voran. Angefangen von der Verhaftung im Garten Gethsemane über die Anklage bis hin zur Kreuzigung. Ein wiederkehrendes Element sind rhythmisch gesprochene Rufe und Dialoge, teils von den Solisten, teils vom Chor vorgetragen.

Und wieder ein Dualismus: einerseits der verzweifelte Versuch des Richters, Jesus vor dem Tod zu bewahren. Andererseits die wütende, aufgehetzte Meute, dargestellt vom Projektchor, die fordert: „Wir wollen, dass er stirbt! [...] Schuldig ist er, schuldig! Schuldig! [...] Ja, sprich ihn schuldig, schuldig, schuldig!“

„Begreifen wir so spät sein altes Wort?“

Der Epilog, vorgetragen vom Chor, ist gleichsam das Fazit: „Begreifen wir so spät sein altes Wort, von Liebe und Vergebung? Begreifen wir es, schweigend in Trauer und Scham? Dürfen wir glauben, was die Schrift sagt: Lebt er mit uns, für immer? Ist es wahr? Hat er den Tod besiegt: So sind wir frei. Frei, die Augen aufzuschlagen vor unseren Nächsten.“

Der Mann, der diese Zeilen geschrieben hat, kommt zum Schluss auch noch selbst nach vorne: Michael Herrschel ist zu Gast in der Kirche. Er schüttelt Hände und strahlt bis über beide Ohren. Was er da hörte, hat ihm offensichtlich gefallen.

[Text: Simon Stadler, Donau-Post; Bild: Johann Festner]

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