Von diesem großen Thema handelten am Samstag die Erzählungen des pensionierten Pädagogen aus Regensburg mit den festen Wurzeln in Wörth. Und keine Umgebung würde sich für die Hommage an die Vergangenheit, die Karl Dietl am Akkordeon wieder mit dem Vortrag unvergessener Melodien ergänzte, besser eignen als die angenehme Atmosphäre in der gemütlichen Gaststube der Familie Geier. Der Inhalt der Lesung passt aus gutem Grund perfekt zum Ort der Begegnung. Zwischen Wirtshaus und Kirche, Sonntagsmesse und Frühschoppen bestand damals in den 50er und 60er Jahren eben noch ein enger, ein inniger Zusammenhang.
Die Pflege der religiösen Kultur, die Beachtung der katholischen Werte, Lehren, Prinzipien und Pflichten waren selbstverständliche und bedeutende Begleiter des Familienlebens am Bauernhof in der Taxisstraße. Diese Regeln und Richtlinien bestimmten deshalb auch einen wesentlichen Abschnitt der Biografie von Sepp Schindler – wie die Heftl mit den spannenden Abenteuern des tapferen Ritters Sigurd und die packenden Geschichten von Karl May, die ihn von der ersten bis zur letzten Zeile gefesselt hatten. Weihwasser und Rosenkranz, Schutzengel und Stoßgebete zum Himmel bei der einen oder anderen Zuwiderhandlung und Missetat sind ihm so vertraut wie die Grundsätze des Deutschunterrichts, den er Jahrzehnte am Gymnasium in Neutraubling gehalten hatte, oder wie das Lied „Ein Haus voll Glorie schauet“, dessen Text so gar nicht dem äußeren Zustand des Gotteshauses entsprach.
Nie und nimmer vergessen wird er wohl auch die Strophen von „Nun danket all’“, die er bei einer Strafarbeit auf mehreren Seiten zu Papier bringen musste, und die Feier der heiligen Erstkommunion im Mai 1957, zumal die „halbseidenen Handschuhe“ eine richtige Gänsehaut verursachten. Jeder Protest bei der Mutter war – wie so häufig – völlig zweck- und erfolglos.
Bei den Nachbetrachtungen kommen ihm Persönlichkeiten in den Sinn wie Pfarrer Seidl, dem noch mit dem Gruß „Gelobt sei Jesus Christus“ Respekt gezollt wurde, oder Chorregent Lanzl, der für das musikalische Gotteslob zuständig war. Der ehemalige Ministrant berichtete über den Brauch, an den Haustüren um Ostereier zu bitten – ein Anliegen, das stets mit dem Hinweis ergänzt worden sei: „A Geld nehma a..!“ Mit gemischten Gefühlen verbindet sich bis in die Gegenwart der Empfang des Bußsakraments, der exakte Kenntnisse des Beichtspiegels erforderte. Und welche Erleichterung, wenn die Sündenlast im Beichtstuhl abgeladen und das Gewissen wieder rein war. Besserung wurde gelobt, ein Vorsatz, der seinem Eingeständnis zufolge so lange nicht gehalten hat.
Nur einmal im Jahr erlaubten die bäuerlichen Aufgaben eine Auszeit. Der Vater durfte zum Oktoberfest nach München, die Mutter zum Wallfahrtsort Altötting, wo der „Doud von Eding“ auf der Standuhr der Stiftskirche die Aufmerksamkeit des kleinen Seppe beanspruchte. „Grusld“ habe ihn die Vorstellung, dass mit jedem Sensenschlag ein Mensch stirbt. Diese Fahrt, bei der andächtig gebetet wurde, hat auch deshalb noch einen Platz im Gedächtnis, weil sich die Hoffnung auf eine anständige Mahlzeit im Wirtshaus nicht erfüllte. Ein „Gracherl“ habe er bekommen, mehr nicht. Die gekochten Eier und die alten Brezn im Gepäck der Mutter mussten reichen. Mit der Rückkehr verbindet sich insbesondere eine Bemerkung des Vaters: „Hoffentlich habts für mi a bet’ . .. !“
[Sepp Raith, Donau-Post]