Mit Swing ins neue Jahr
von Johann Festner
Das Romy-Börner-Quartett überzeugte vor fast ausverkauftem Bürgersaal mit „Die goldenen 20er“. Von einer Zeit, in der Glamour, aber auch Armut den Alltag bestimmten
Gespannte Stimmung lag im Saal, als die Musiker unter Applaus auf die Bühne marschierten. Mit „Willkommen“ von Joel Grey gaben die Sängerin Romy Börner aus Straubing, Pianist Norbert Ziegler, ebenfalls aus Straubing, Bassist Markus Fritsch aus Regensburg und Geiger Oliver Hien aus Cham eine erste Kostprobe auf das bevorstehende Programm. „In den Zwanzigern ging alles bis zum Anschlag, es pulsierte“, sagte dazu Börner. Und spätestens beim zweiten Song „Bei mir bist du schön“ von den Andrews Sisters wippten mehrere Zuschauer mit. Im fast vollen Bürgersaal befand sich nicht nur auch eine Schülerin der Sängerin, sondern sogar ein Hund.
„Röcke wurden kürzer, Blusen aufgeknöpft“
„Getanzt wurde sehr, sehr viel. Die Orchester spielten treibend, stoßend, oft hemmungslosen Jazz. Und dazu gab es witzige Texte“, erklärte Börner weiter. Für den Charleston musste sich da auch die Mode ändern. „Die Röcke wurden kürzer, die Blusen aufgeknöpft und die Zöpfe abgeschnitten.“ Im Trend lagen Nadelstreifenanzüge – „so wie ich heute einen trage“. Passend dazu spielte das Quartett „Ain’t she sweet“, wobei wieder einige Gäste mitsingen konnten. War das Stück doch später erst durch die Beatles bekannt geworden, handelt es sich beim Original um einen Jazzstandard aus 1927 von Milton Ager und Jack Yellen, stellte Börner klar
.„Jetzt machen wir einen Genresprung“, kündigte die Sängerin an und setzte an zur berühmten Operette „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“ von Peter Alexander aus dem gleichnamigen Film von 1960. Das Stück passe wegen seines Rhythmus und aberwitzigen Textes immer noch gut in die „Goldenen Zwanziger“. Und tatsächlich: Das Publikum konnte nicht mehr stillhalten, tanzte mit den Händen und sang mit. Im Anschluss überließ Börner ihren drei Kollegen die Bühne für ein flottes, akustisches Stück. Die Musiker überzeugten abermals bei rasanten Soli, die die Zuhörer mit Zwischenapplaus zu belohnen verstanden. Besonders mitreißend war hierbei das Dialogspiel zwischen Klavier und Geige.
[Text und Bild: Theresa Schmid, Donau-Post]
„Friedrich Hollaender war ein sehr wichtiger Komponist der Zwanziger. Er hat die Stummfilmzeit begleitet wie kein anderer und später, als der Tonfilm entstand, für seine Musik viel Geld verdient.“ Da er wegen seiner jüdischen Abstammung Deutschland 1933 verließ, ging er in die USA. Beim Warten auf seine damalige Verlobte schrieb er das „Jonny, wenn du Geburtstag hast“, da sie ihm zu lange in der Maske brauchte. Bekannter ist jedoch die Version von Marlene Dietrich, die Hollaender in Hollywood kennenlernte.
Gegensätzlichkeiten in Kultur und Politik
Anschließend machte Börner nochmals auf die Gegensätzlichkeit der Zwanzigerjahre aufmerksam: „Es war schrill und bunt, nicht nur in der Kultur und Kunst, sondern auch in der Politik, zur Zeit der Weimarer Republik. Es musste irgendwie weitergehen nach dem Krieg.“ Und so handelte das Lied „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ von einem ehemals gefeierten Leutnant, der nun als Tänzer in Bars sein Geld verdienen muss. Noch tiefer in die Zeit tauchten die Zuhörer bei „Puttin’ on the Ritz“ von Irving Berlin ein, das von einem populären Hotel handelt.
Als die Musiker nach der Pause wieder den Saal betraten, wurde es noch glamouröser als zuvor: Sängerin Börner wechselte vom Nadelstreifenanzug zum glitzernden Abendkleid mit Federboa. Damit schwang sie zum Musical „Cabaret“. Die Sängerin begeisterte den gesamten Abend über in ausdrucksstarkem Mezzosopran, kombiniert mit aufregender Mimik und Gestik, die die Stimmung der Filmschlager in den Bürgersaal transportierte.
Von schönen Waden und Lippenstift im Bett
Später präsentierte das Quartett weitere Highlights von Hollaender und Dietrich wie etwa das weltberühmte, ungenierte „Ich bin die fesche Lola“ und das emotionale „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, dessen Klänge Ruhe im Saal erzeugten. Für einige Lacher sorgte das Rätsel in „Wie kommt der Lippenstift in Lehmanns Unterbett?“ von Robert Gilbert sowie „Ich hab das Fräulein Helen baden sehn“ von Fredy Raymond und Fritz Grünbaum. Wie sich die Konventionen zur damaligen Zeit änderten, spiegelte sich wider in „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“ von Fritzi Massary. Wippender Jazz begeisterte nochmals bei „S’Wonderful“ von George Gershwin, ehe sich das Quartett nach etwa zwei Stunden mit „Bei dir war es immer so schön“ von Hildegard Knef verabschiedete – in Erinnerung bleibt ein hochkarätiges Neujahrskonzert, was die Zuschauer mit langanhaltendem Applaus bestätigten.
Entstanden war das besondere Programm während der Pandemie, wie Börner im Gespräch nach dem Konzert verrät. „Wir alle haben eine gewisse Affinität zu dieser Art von Musik“, sagte sie. Daher sei die Entscheidung für jazzige Evergreens leicht gefallen. Als dann noch die Serie „Babylon Berlin“ ausgestrahlt worden war, sahen die Musiker ihr Vorhaben bestätigt. „Und auch in diesen Zwanzigern suchen die Leute wieder nach Antworten, da sind die Texte von damals wieder aktuell.“ Für mehr Freude im neuen Jahr hatte sie noch einen Tipp für die Zuschauer: „Tanzen Sie einfach, das macht gute Laune!“