Von Dreschern und Dracken

Von Dreschern und Dracken

von (Kommentare: 0) Lesung im Bürgersaal: Josef Schindler erinnerte an ein Wörth, das es lange nicht mehr gibt

Das Wörth der Fünfzigerjahre, landwirtschaftlich geprägt, mit seinen Höfen und Geschäften, seinen Menschen und Geschichten, ist am Sonntagnachmittag im Bürgersaal noch mal aufgeflackert. Josef Schindler präsentierte Texte, mit denen er Erlebnisse aus seiner Kindheit in seiner unverwechselbaren Art ins Gedächtnis ruft. Mit einer großen Portion Humor, aber auch nachdenklichen und hintergründigen Zwischentönen.

Die passende musikalische Untermalung steuerte Karl Dietl bei. Er spielte mit seinem Akkordeon und sang dazu – unter anderem Lieder, die man in den Fünfzigern in der Schule lernte oder die damals populär waren.

Als Motto für den Nachmittag, veranstaltet von Kultur in Wörth, hatte Schindler eine Zeile des mittelalterlichen Dichters Walther von der Vogelweide gewählt: „O weh, wohin sind alle meine Jahre verschwunden ?“ Das heitere Maiwetter passe nicht so recht dazu, dass es heute um Menschen gehen werde, die zu einem großen Teil schon gestorben sind, sagte Schindler zu Beginn. Es wurde dann aber kein schwermütiger Nachmittag, ganz im Gegenteil: Die Zuhörer schmunzelten, lachten, erfreuten sich an Schindlers Anekdoten und Beobachtungen – und aktivierten nicht selten eigene Erinnerungen. Da ging es zum Beispiel um die Frage, wer auf einem alten Foto wo zu sehen ist oder wie ein bestimmtes Anwesen heute ausschaut.

Aus aktuellem Anlass erinnerte Schindler an seinen Cousin Lorenz Schnitt, der am 3. Mai verstorben ist. Er zitierte augenzwinkernd aus einem Feldpostbrief seines Vaters, den dieser im Juni 1943 aus Russland an seine Frau geschrieben hatte. Der Vater verleiht in dem Brief seiner Hoffnung Ausdruck, dass die künftigen Kinder „nicht solche Lausbuben wie die Försterbuben“ werden – gemeint waren die Buben des Försters von Weihern, darunter der junge Lorenz Schnitt, der Schabernack sehr genoss.

Schindler ließ eine Geschichte namens „Ochsenkrieg“ folgen, in der es darum geht, wie die Ochsen aus der Landwirtschaft der Familie Schindler verschwinden, wie sie verkauft werden – und sich stattdessen der Bulldog durchsetzt, mit dem man bei der Fahrt über Stock und Stein arg durchgeschüttelt wird. Der Bulldog schüttle einem die Seele aus dem Leib, habe seine Mutter einmal geklagt, heißt es in der Geschichte, und das sei vielleicht gar nicht so unpassend für den „nicht immer nur menschlichen technischen Fortschritt“. Er habe es nicht gerne gemocht, in der Früh auf den Sauberg hinaufzugehen zur Arbeit, sagte Schindler, aber das Lied „Im Frühtau zu Berge“ habe ihm gefallen. Karl Dietl spielte es.

In einem anderen Text erzählt der Autor vom Dreschen. Der Dreschflegel hatte in den Fünfzigern ausgedient, nun kamen Lohndrescher mit einer Dreschmaschine und einem Lanz-Bulldog. Die Geschichte erzählt von dieser lauten und staubigen Arbeit, nach der es einen Schweinsbraten und reichlich Reiberknödel gegeben habe; die Redewendung „Der frisst wia a Drescher“ komme nicht von ungefähr. Nach dem Dreschen sei dann auch die eine oder andere Halbe Bier geflossen, es sei immer lauter geworden – und die Geschichten immer skurriler. Der Besitzer der Dreschmaschine habe ihn, den Buben, schließlich mit einem Fuchzgerl in die Apotheke schicken wollen, um eine Packung „Bin-i-so-dumm“ zu erwerben.

Große Erheiterung rief eine Geschichte über Herbert Rothfischer hervor, der ein landwirtschaftliches Anwesen an der Taxisstraße hatte und mit seinem Gespann größere Pakete ausfuhr, die mit dem Walhallabockerl am Wörther Bahnhof angekommen waren. Schindlers Text erzählt, wie Herbert Rothfischer – magisch angezogen vom Duft frisch gebackener Küchl und Baunzerl – stets ins Hause Schindler kommt, wenn die Mutter backt, wie er das Hefegebäck probiert und sagt: „Des mocht da koane noch.“ Und wie die Mutter, für Lob nicht gänzlich unempfänglich, dann noch weitere Küchl anbietet.

Als das Gebiss im Bach landete

Einmal, hoch auf seinem Pferdegespann sitzend, habe Rothfischer beim Versuch, auszuspucken, dann versehentlich sein Gebiss in einen Bach am Wegesrand befördert.

Eine andere Geschichte ist dem Wagner Haner gewidmet, der im vergangenen Jahr gestorben ist und eigentlich Johann Wagner hieß. Seine Mutter hieß Tilka, eine Kurzform für Ottilie – in Wörth wurde sie aber Hanerin genannt. Der junge Haner sei als „Drack“ bekannt gewesen, so seien damals Buben betitelt worden, die andere gerne ärgern. In der Geschichte geht es aber auch darum, dass sich gute Taten bezahlt machen können: Die Hanerin hatte am Kriegsende im Osten einem deutschen Soldaten ein Brotscherzerl geschenkt. Später traf sie ihn zufällig in Wörth wieder. Er revanchierte sich und veranlasste, dass die Familie täglich zum Essen kommen konnte. Im Gedenken an den 2023 verstorbenen Haner, der vom Cowboyleben träumte, spielte Karl Dietl das Stück „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“.

.Ein literarisches Denkmal setzte Schindler obendrein dem jung gestorbenen Karl Schnurrer. Es ging am Sonntag aber auch um Lebende. Eine der Hauptfiguren saß sogar im Publikum: Josef Eidenschink – Spitzname: Bepp. Schindler erzählt in einem Text von Kindheitserlebnissen in der Metzgerei der Eidenschinks, direkt am Schlossberg gelegen. Es geht um ofenfrischen Leberkäs mit verführerischer Kruste, eine beeindruckende Prinz-Eisenherz-Comicsammlung, um ein geplündertes Lager am Schlossberg und Marterpfahl-Spiele neben der Selche. Eidenschink amüsierte sich beim Zuhören köstlich, genau wie das übrige Publikum.

[Text Simon Stadler, Donau-Post; Bild Johann Festner]

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