Übertragend
von Johann Festner
Erstmals seit sechs Monaten fand am Sonntag in Wörth wieder eine Kulturveranstaltung statt. Das Kaleidos-Quintett übertrug den Auftritt ins Internet – sogar bis nach Australien
Wer ein Konzert organisiert hat, zu dem kein Zuhörer gekommen ist, wirklich keiner, der müsste eigentlich zu Tode betrübt sein. Kultur-in-Wörth-Sprecherin Marion Weickl wirkt nach dem Auftritt jedoch keineswegs verzweifelt, ganz im Gegenteil: „Alles hat super geklappt“, sagt sie, „es war ein Erfolg.“
Dass kein Mensch gekommen ist, stimmt ja auch nur vordergründig. Der Bürgersaal ist zwar tatsächlich verwaist, als das Kaleidos-Quintett am Sonntagabend auf der Bühne aufspielt. Trotzdem gibt es Zuhörer, eine ganze Menge sogar, sie sitzen daheim vor ihren Computern, Tablets oder Handys: Ein Techniker überträgt das Konzert der fünf jungen Blasmusiker ins Internet. Ohrenschmaus online, sozusagen.
Wenn das Quintett im Bürgersaal vor Publikum spielen hätte können, wäre das zwar sicher noch mal etwas anderes gewesen, „das kann man nie ganz vergleichen“, sagt Weickl. Sie sagt aber auch Folgendes: „Endlich hat wieder mal Kultur stattfinden können, das war ein Zuckerl.“ Die Resonanz der Zuhörer sei sehr positiv, „viele Leute haben sich gefreut, dass wir das gemacht haben“.
Man muss sich ja eines schon mal vor Augen führen: Die letzte kulturelle Veranstaltung ging am 26. Oktober über die Bühne, damals traten Steffi Denk und Hans „Yankee“ Meier vor abgezählten 50 Zuhörern auf. Seitdem: nichts, nichts und noch mal nichts. Die reine Leere.
Bis Sonntagabend. Da gibt das Kaleidos-Quintett aus dem Großraum Nürnberg eine virtuelle Kostprobe. Das eigentliche Konzert mit Publikum ist zwar verschoben – solange, bis Kultur halt wieder möglich ist. Aber wir könnten ja schon jetzt eine Kurzfassung unseres Programms spielen und die ins Internet übertragen, schlugen die Musiker vor. Machen wir, sagte Weickl sofort.
Gesagt, getan: Am Sonntagnachmittag kommt ein Techniker in den Bürgersaal, ein junger Mann, der mit den fünf Musikern befreundet ist. Dabei hat er Kabel und Apparate, Stecker, Stative, einen Laptop, ein Mikrofon. Er befestigt die Kamera an einem Tisch, sie wird später alles aufzeichnen. Mikrofone auf und vor der Bühne werden später jede Schallwelle einfangen – in durchaus hoher Tonqualität.
Die Übertragung an sich läuft über die soziale Plattform Facebook, es gibt dort die Funktion, einen Livestream auszuspielen: Jeder Interessierte kann diesen in Echtzeit aufrufen und anschauen. Auf der Facebook-Seite von Kultur in Wörth ist der entsprechende Link hinterlegt.Der Online-Auftritt am Sonntag ist ein doppeltes Debüt. Etwas Derartiges hat Kultur in Wörth noch nie angeboten, das ist das eine. Es ist aber auch für die Musiker eine Premiere: „Wir spielen heute zum allerersten Mal in dieser Besetzung“, sagt der 24-jährige Simon Kränkl.
Er hat am Sonntag ein Heimspiel, denn er ist gebürtiger Wörther; seine Mutter ist Hella Kränkl, die Chefin des Musikschulvereins. „In der Heimat zu spielen, ist immer etwas Besonderes, so häufig kommt das nicht vor, nur alle paar Jahre mal“, betont der junge Trompeter.
Und wie kam es zur Gründung des Quintetts ? Kränkl muss ein bisserl ausholen. Dreh- und Angelpunkt sei die Stadt Nürnberg, sagt er, mit der fränkischen Metropole sind alle fünf verbunden. Zum Teil besuchen sie dort die Hochschule, zum Teil haben sie sich auch abseits des universitären Alltags kennengelernt, als Mitbewohner, über Freunde, wie das halt so ist. Die Mitglieder sind alle Mitte zwanzig, sie verstanden sich sofort. „Wir sind fünf Leute, die voneinander wissen, dass wir harmonieren und dass es bei uns passt“, sagt Kränkl.
Passen tut es auch am Sonntagabend um 19 Uhr, als das Quintett im leeren Bürgersaal loslegt. Das Programm setzt sich zusammen aus Originalstücken, aber auch aus Arrangements. Los geht es mit einer bearbeiteten Version der Kleinen Fuge in G-Moll, die Johann Sebastian Bach Anfang des 18. Jahrhunderts komponiert hat. Mit zwei Trompeten, einer Tenorposaune, einer Bassposaune und einem Horn präsentieren die Musiker das Stück energiegeladen, ergänzen sich, verschmelzen. Zum Besten gibt die Gruppe auch Stücke des russischen Komponisten Wiktor Ewald und des amerikanischen Komponisten Michael Kamen (der übrigens schon mal mit Metallica zusammengearbeitet hat). Dabei ist auch der so genannte Killer-Tango, der mit viel Schwung und Elan besticht. „Wir decken eine große Bandbreite ab, von barock bis modern“, sagt Kränkl.
Bei den zugeschalteten Zuhörern kommt diese Mischung an: Insgesamt rufen das 34 Minuten dauernde Video – das übrigens noch immer auf der K.i.W.-Facebook-Seite verfügbar ist – bis Montagmorgen 370 Nutzer auf. 50 bis 60 Nutzer verfolgen das Konzert laut Weickl am Sonntagabend durchgehend. „Nicht schlecht“, findet sie.
Beachtung findet der Auftritt sogar in Down Under: Die Musikerin Alison Marsh ist gebürtige Australierin, und ihre Mutter steht extra auf, um den Auftritt zu sehen. Als das Konzert um 19 Uhr beginnt, ist es in Australien 3 Uhr früh.
[Text und Bild: Simon Stadler, Donau-Post]