Leben und Tod
von Johann Festner
Was das Wasser für uns alle bedeutet – bei der Stadtwanderung mit Josef & Josef
Alles Leben fängt im Wasser an und auch in Zukunft wird es uns beschäftigen. Man kann Respekt davor haben, Angst sogar, aber genauso seine helle Freude damit. Und wenn Josef und Josef, die beiden Stadtwanderer, mit Humor und Hintersinn das Thema „wörthlich“ angehen, dann wird ein echtes Ereignis draus.
Am Sonntag war’s wieder mal soweit: Kultur in Wörth hatte zusammen mit Josef Schütz und Josef Schindler auf den Parkplatz des Hallenbads im Gschwelltal geladen, an die Tür zum Paradies, wie der Lauf des Perlbachs im Volksmund auch heißt. Von dem enormen Interesse, fast 100 Wanderer in wetterfestem Gewand müssen es gewesen sein, waren nicht nur die Organisatoren überrascht. So gut wie gewiss war indes, dass auch die vielen Regenschirme zum Einsatz kommen würden. Aber das passte ja zum Thema – und schon ging’s los.
Der „kleine Polder“ ist eine Erfolgsgeschichte
Josef Schütz, der vor seinem Bürgermeisteramt als Gewässerberater des Landschaftspflegeverbands tätig war, führte die Wissbegierigen entlang des alten Trimm-Dich-Pfads zu dem vor wenigen Jahren angelegte Regenrückhaltebecken oberhalb der Sportanlagen. „Wasser ist Leben, kann aber auch den Tod bedeuten“, griff er gleich zwei der dringendsten Fragen unserer Zeit auf: Die wachsende Gefahr von Sturzfluten durch Starkregen und zugleich der Verlust von Lebensräumen und Artenvielfalt durch Bebauung und Flächenversiegelung. „Viele Fliegen mit einer Klatsche“ könne man mit solchen dezentralen Rückhaltebecken schlagen. „Der kleine Wehrdamm hat fast nichts gekostet aber viel gebracht. Bei Starkregen hält er Wasser zurück und gibt es langsam ab. Sauberes Wasser, das keine Schäden anrichtet, anders als die Flutwelle im großen Polder. Der Retentionsraum ist gleichzeitig ein Biotop, wo sich Biber, Eisvögel und Amphibien angesiedelt haben. Man muss die Fläche einfach sich selbst überlassen."
Nicht aus dem, sondern in das Paradies vertrieben
Mehr oder weniger sich selbst überlassen waren über Generationen lang auch die Wörther Kinder, die dadurch vielfältige Bindungen zur Natur des Paradieses mit all ihren Facetten aufbauten. Sepp Schindler berichtete aus seinen Memoiren „Saupech und Schweineglück“ unter anderem davon, wie er als Bub im Thurn&Taxisschen Wald Brennholz für den Winter sammeln musste. Eine Schwerstarbeit „im Schweiße meines Angesichts“, die mehr eine Vertreibung ins Paradies darstellte als aus demselben heraus – was für ein Paradox für ein ansonsten frommes Kind. Oder wie der Stadler-Lehrer ihn und die restlichen Buben vom neuen Schulhaus aus den bergigen Pfad hinauf zum Sport antrieb – preußisch-kriegsverherrlichendes Liedgut schmetternd, das man heute schwerlich noch guten Gewissens rezitieren kann. Auch das: wenig paradiesisch.
Keuschheit beim Baden: „Eher blöd als heilig“
Im Paradies lauert bekanntlich auch die Versuchung und die begegnete dem Sepp als jungem Burschen, der die Lektüren des Priesterseminars gerade mit Che Guevaras Lehren getauscht hatte, in Form eines „langhaarigen Wesens“. Als die junge Frau ihn bat, ihr den Rücken mit Sonnencreme zu salben, wurde es ihm zu viel – war er doch als einst frommer Seminarist im Umgang mit dem anderen Geschlecht mehr als ungeübt. „Mich in eine Dornenhecke zu stürzen, erschien mir übertrieben.“ Er lief also davon, gab vor, in der größten Sommerhitze einen Trainingslauf zu machen – natürlich hatte das Mädchen da keine Lust, auf ihn zu warten. Und so kam der Sepp allein zurück, „eher blöd als heilig“.
So funktioniert die Klimaanlage Wald
Von Regenschauern und grellem Sonnenschein gleichermaßen unbeeindruckt, bahnte sich die Karawane in Funktionskleidung ihren Weg hinauf zum Hochberg, wo Schütz mit erstaunlichen Fakten für den raschen Waldumbau als Antwort auf den Klimawandel warb. Etwa eine Million Liter Wasser könne ein Hektar intakter Wald am Tag verarbeiten, wobei besonders Laubbäume auch über ihr Blattwerk Luftfeuchtigkeit aufnehmen, was auch die im Wasserdampf transportierte Hitze mildert. „Man merkt das ja gleich, wenn man an einem heißen Tag in den Wald geht, dass es da frisch und kühl ist. Deshalb sind Bäume und Wälder für die Städte so wichtig. Leider weiß niemand, nicht mal die Förster, wo die Reise hingeht. Bestimmt werden wir aber bald viele neue Baumarten sehen.“
Unser wichtigstes Lebensmittel ist bedroht
Eine weitere Station war der städtische Trinkwasserspeicher, wo die Wasserwerker Alfons Ebner und Florian Aumer spannende Infos zum täglichen Wasserverbrauch der gut 5000 Einwohner parat hatten. Wasser hat Wörth derzeit mehr genug, die Donauebene bei Giffa ist da anders als manches Vorwaldtal nahezu unerschöpflich. Nur das Nitrat muss man im Auge behalten: Durch Mischung des Wassers mehrerer Brunnen habe man derzeit etwa 38 Milligramm Nitrat je Liter, das ist gut unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Wenn jedoch der Polder Wörthhof gebaut und geflutet wird, könnten Salze und Öle in das jetzige Trinkwasserschutzgebiet sickern, eine reale Bedrohung für das wichtigste Lebensmittel der Stadt. „Das ist auch der Grund, warum wir weiter mit allen Mitteln gegen den Polder kämpfen werden“, versprach der Bürgermeister. Und so ging der Weg weiter – mit einem selbst bei Regen grandiosen Blick über Schlossberg und Donauebene zurück hinunter vom Hochberg zur Schule.
Wie der Sepp im Zinkwandl unterging
Da schloss Sepp Schindler den Reigen mit einer Anekdote darüber, wie er als etwa Dreijähriger in einer Zinkwanne auf dem Küchentisch gebadet wurde. Damals war es so üblich – ein Badezimmer hatten nur Millionäre – und auch die Seife war mehr eine ätzende Lauge, die dem Kleinkind schmerzhaft in den Augen brannte. Mutter und Schwiegermutter gerieten nun darüber in Streit, ob es denn nötig sei, den Buben mit so übertriebenem Sauberkeitsfimmel zu martern – und verloren darüber den kleinen Sepp aus den Augen. Gerade rechtzeitig fischten sie den untergegangenen Buben noch aus dem Wandl, leiser wurden Geheul und Schuldzuweisungen damit eher nicht...[...]
[Text: Franz Nopper, Donau-Post; Bild: Johann Festner]