„Ich sage ja oft nichts, aber ich rede wenigstens dabei!"

von Johann Festner

Foto: Franz Nopper

Die Frau mittleren Alters im Rampenlicht ist sichtbar verwirrt. All diese neuen Wörter, die irgendwas bedeuten müssen ! Anti-Aging ! Vegan  Feng Shui ? Schlechtes Feng Shui ist jedenfalls ihre kleine Bühnenwelt. Ein chaotisches Leben aus Einkaufstaschen heraus führt die österreichische Kabarettistin aus München in ihrer Paraderolle als „Angelina Jollinger“. Unsortiert. Öffentlich. Ungeniert. Einfach drauf los plaudern.

Geschwätzigkeit ist ein veralteter Ausdruck, drum kommt er wohl im Programm nicht als solcher vor. „Wordoholik” ist die Diagnose, die sich Barbara Weinzierl selbst stellt. Einfach mal modebewusst das Herz auf der Zunge tragen. „Wir müssen reden ! Sex, Geld und Erleuchtung” heißt ihr Programm, das die K.i.W. Fans am Freitag genießen konnten.

Und die Wenzierl lässt nichts aus. Mit feinem Blick schaut sie uns allen aufs Maul, wenn wir über das reden, was uns halt beschäftigt, uns wohl auch belastet und Angst macht.

Wie wir Schlagwort um Schlagwort aus der Werbesprache übernehmen, nur um noch mitzureden, ohne wirklich mitzudenken, was es bedeutet. Facebook-Freunde. Das ganze Computerzeugs. Und der Stress. Gründe für eine Realitätsflucht gibt es genügend.

Yoga nach Hausfrauenart

Vom Veganismus ist dann der Weg kurz zum Um-die-Wette-Entspannen beim Yoga und schließlich zum Tantra-Seminar. Und wer sich da nicht findet, kann sich Lichtnahrung gönnen. Aber 990 Euro für ein Wochenend-Seminar, das ist dann doch zu viel. Eine fünf Euro billige LED-Taschenlampe aus dem Baumarkt muss es auch tun, als Snack zwischendurch – Lichtnahrung nach Hausfrauenart.

Weinzierl zeigt mit ihren Texten und Gedichten, ihren Publikumsdialogen und ihrem Impro-Theater, nach welch lächerlich verzerrten Ideen wir zu leben versuchen, ohne uns der Folgen bewusst zu sein. Persönliche Freiheit. Emanzipation! „Ich kauf mir einen SUV!”, denkt sich die selbstbewusste, junge Frau. Weil sie ihn sich aber allein nicht leisten kann, heiratet sie – und fährt dann eben mit einem SUV zum Kindergarten. „Der Traum vom freien Leben muss noch warten.”

Frauen im besten Alter

Die weitaus meisten Charaktere, die in den bunten Papiertüten auf ihren Auftritt warten, sind freilich Frauen; die sichtlich über 90-jährige Oma, die vor der Rente als Synchronsprecherin für Sexfilmchen arbeitete und ihre Eizellen als Altersvorsorge tiefkühlen ließ: „Wenn die Rente nicht mehr reicht, trage ich aus und lebe vom Kindergeld.” Oder die unwiderstehliche Mittfünfzigerin Wiebke Schmackenborn, die ja so stolz auf ihren Sohn Hans ist: „Er hat jetzt einen Bachelor!” - und dann muss sie enttäuscht feststellen, „dass das gar nichts mit Frauen zu tun hat, sondern mit Zahlen.” Grell überzeichnet und doch pointiert gelingt dieser seichte Humor ebenso, wie die jähe Zäsur – ein Witz, der einem ganz kurz das Lachen im Hals steckenbleiben lässt: „Wenn eine Frau mit Mitte 50 stirbt, sagen alle, die war ja noch so jung. Wenn sie aber mit Mitte 50 noch lebt…” Die Weinzierl, die Zeit, und wie sie verstreicht. Vom Leben enttäuscht werden und ihm entspannt den Mittelfinger zeigen – was für eine heilsame Lektion.

Der zweifellos schillerndste Charakter in Weinzierls Repertoire ist jedoch der Hubert aus Wien – ein frauenfeindlicher, rassistischer Schwadroneur, der wohl wirklich glaubt, dass er sich mit dem Unsinn, den er redet, nicht lächerlich macht.

Dem Hubert ist seine Frau abhandengekommen. „Sie ist Zigaretten holen gegangen, hat sie gesagt.” Mit zwei Koffern ist sie losgegangen „dabei sind wir ja Nichtraucher.” Und Hubert erzählt, wie seine Frau vor einiger Zeit angefangen hatte, Deutschunterricht zu geben. Für diese jungen muslimischen Männer. Und wie der Hubert dann gesagt hat, dass diese Flüchtlinge doch in einer Frau nur den Putzlumpen sehen und dass sie besser daheim geblieben wäre bei ihm, und ihm sein Essen gekocht hätte. Und wie es dann halt Krach gegeben hat. „Ich hab ja nix gegen Emanzipation, aber wenn die eigene Frau damit anfängt ?” Der Hubert kennt sich eben aus.

Und so könnte man jetzt ewig weitererzählen, über die vielen schauspielerischen und sprachlichen Miniaturen der Angelika Weinzierl. Es ist schier uferlos, wie sie lustig plappert und plappert und dabei doch immer wieder ernste, ja schmerzhaft nahegehende Themen anschneidet. Noch besser wäre es, sie beim nächsten Auftritt, egal wo, selbst zu erleben. Kleinkunst im besten Sinn ist das. Unverstellt, mit Liebe gemacht und im Werden begriffen. In knapp zwei Stunden gibt es so viel zu erleben, vom gemeinsamen „Meine-Mudder-Rap“ bis zur „Turne-in-die-Urne”-Gymnastik, dass man noch Tage später nachdenken kann, was Sie eigentlich genau gesagt hat.

[Text und Bild Franz Nopper, Donau-Post]

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