“Endlich wieder Live-Musik”

von Gabriele Hollschwandner

Artikel im Wörther Anzeiger (Ausgabe vom 23.06.20209 von Resi Beiderbeck

Kultur Im Corona-Jahr 2020 wird handgemachte Musik besonders hoch geschätzt. Nicht alle konnten eine Eintrittskarte ergattern. Zwischen Gräsern und Blumen lagerten die Gäste mitten auf der Wiese und genossen federleichte Klänge zur Mittsommerzeit.

HIMMELTAL Corona ändert alles. Beim traditionellen Wald- und Wiesenkonzert im Himmeltal gab es heuer erstmals keine festen Sitzplätze und keine Bänke. Stattdessen lagerten die Gäste auf ihren eigenen Sitzkissen, Campingstühlen und Picknickdecken. Dabei genossen sie den in Körben und Rucksäcken selbst mitgebrachten Imbiss. Frische Kirschen und süße Waffeln teilten sich die Besucher. Mit Prosecco prosteten sich jene zu, die sich glücklich schätzen konnten, eine Eintrittskarte ergattert zu haben.
“Mehr als 100 Zuhörer dürfen wir nicht auf die Wiese lassen”, erklärte Bürgermeisterin Irmgard Sauerer, “obwohl bei Einhaltung des Abstands weit mehr Leute auf dem Areal Platz hätten”. Tatsächlich hatte der Kulturausschuss der Gemeinde im Vorfeld 60 weitere Konzertbesucher abweisen und das Ereignis schon Tage vor dem Termin als ausverkauft deklarieren müssen. Die Veranstalter haben aber auch eine interessante neue Erfahrung gemacht. “Es ist gar nicht notwendig, eigens Bänke herzufahren und mühsam im Hang einigermaßen stabil zu platzieren”, war man sich einig. “So ist es viel schöner”, fanden auch die Gäste, denen es nichts ausmachte, ihre Sitzgelegenheiten selber mitzubringen. So musste der Kulturausschuss heuer nur die Bühne bauen. Für erstklassige Akustik sorgte die Topographie im Himmeltal. Bevor der erste musikalische Ton erklang, konnte man zwischen Gräsern und Blumen ganz unmittelbar die Wiese und das intensive Zirpen der Grillen genießen.
Viele streng geschützte Arten
“Ich hoffe, Sie liegen nicht gerade in einem Ameisenhaufen”, meinte Vizebürgermeister Franz Löffl bei der Begrüßung, “und falls doch, werden Sie es schon merken”. Silikatmagerrasen sei das, worauf man gerade sitze, erklärte er und viele streng geschützte Rote-Liste-Arten seien hier daheim.
Es gastierte heuer beim Wiesen-Open-Air erstmals das Jazz-Projekt “Latcho Due”. Die Gitarristen Andreas Köckerbauer (22) und Etienne Wittich (15) begeisterten ihre Zuhörer. Am Kontrabass gab Frank Wittich den Ton an. Als Gast war am Saxophon und an der Klarinette Joel Wittich (13) zu erleben - eine echte Entdeckung! Wer keine Karte mehr bekam, kann auf youtube zwölf Minuten lang in das Konzert eintauchen, das “Latcho Due and friends” unlängst “für die Wiese” gab. Heiterkeit angesichts dieses einmalig schönen Ortes mischt sich dabei mit Melancholie im Wissen um dessen Bedrohung.

“Endlich wieder Live-Musik”, freute sich Bernhard Kutzer. “Diese federleichten Klänge zur Mittsommerzeit und dazu der Heublütenduft, das ist ein ganz wunderbares Erlebnis”, strahlte der begeisterte Jazz-Fan. Sonntagabend am längsten Tag des Jahres bei Sonnenschein und sanftem Wind, umschmeichelt von unbeschwerten Klängen - so könnte es immer bleiben.

BI ist gegen Schneise
Wird es aber nicht, wenn es nach der Bundesnetzagentur geht. Eine Stromautobahn von gigantischen Ausmaßen soll ausgerechnet hier vergraben werden. Lässt man den Blick schweifen in Richtung Altenthann, so fragt man sich, wer auf die Idee kommen kann, ausgerechnet in diese kleinteilige Kulturlandschaft mit artenreichen Wiesen und Biotopen eine 50 Meter Schneise zu schlagen. “Unvorstellbar, was für eine Katastrophe man damit anrichten würde”, sagen die Mitglieder der Bürgerinitiative gegen den SüdOstLink. “Einerseits wird der Wert von Biodiversität zunehmend erkannt. Gleichzeitig wird rücksichtslos quer durch die sensible Vorwaldlandschaft eine beispiellose Verwüstung geplant.”

Trassen-Pläne
Kartierung: Im SüdOstLink-Korridor werden derzeit Kartierungen durchgeführt, um die Bedeutung der Lebensräume für Naturhaushalt und Artenschutz bewerten zu können. “Do bin i oba scho falsch, oder?” fragte dieser Tage ein Biologe, den man zu diesem Zweck ins Himmeltal geschickt hatte.

Zerstörung: Hier allen Ernstes Bagger und 140-Tonner anrollen zu lassen, das konnte sich der Mann nicht vorstellen. Gefunden hat er u. a. seltene Fledermausarten.

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