Endlich haben wir ihn da!

von Johann Festner

Tobias Meinhart und die Berlin People jazzten im ausverkauften Pschornhof

Als hätte man Debussy mit einer Dampfmaschine gekreuzt! Die neuen, noch in Entstehung begriffenen Kompositionen der Berlin People um Tobias Meinhart sind sehr kompliziert. Es ist teils anstrengend, die vielen Harmonien noch einzeln zu erkennen. Andererseits: Sonst käme ja auch nur, was man eh schon kennt. Was sich anbiedert. Das sparen wir uns heute. Und am Ende starrst du in die Gegend und hörst und vergisst und erinnerst...

Das war mal großer Bahnhof in der Ludwigstraße: Selten sieht man so vielen auswärtigen Gästen an Gestus und Habitus an, dass sie Suchende sind. Musiksuchende. Und sie fanden den Pschornhof, wo an diesem Sonntagabend zu einer seltenen Delikatesse angerichtet war:

Die Berlin People von Tobias Meinhart – quasi seine deutsche Tour-Band für den europäischen Raum, wenn er nicht gerade im Big Apple mit Gigs als Saxofonist eingespannt ist – gaben ein Gratis-Konzert. Zurecht stolz waren seine Familie und auch die Veranstalter von Kultur in Wörth beim Blick in den ausverkauften Pschornhof.

Und dabei war es nicht nur Glück, dass das Wetter hergehalten hat, beinahe hätte auch noch die Deutsche Bahn den Auftritt verhindert: „Von Basel nach Regensburg mussten wir sechs Mal umsteigen. Was sonst sechs Stunden dauert, wurden schließlich neun. Wir mussten kämpfen, um heute hier zu sein“, berichtete Meinhart zu Beginn des Auftritts.

Ein neues Album entsteht da gerade

Andererseits hätte sich die Zeit auch angeboten, die neuen Kompositionen zu besprechen. Die Berlin People, das sind neben Meinhart am Sax der Pianist Ludwig Hornung, der Bassist Tom Berkmann und der Drummer Mathias Ruppnig, arbeiten nämlich an einem neuen Album, in das unterschiedlichste Eindrücke einfließen, die gerade noch zueinanderfinden, sich quasi einspielen müssen. Hektik und Kontemplation – das waren dann auch irgendwie die Pole, zwischen denen die Combo ihre neuen Funken sprühen ließ. Songs kann man dazu nicht sagen. Es gibt keinen Gesang, einzig die Instrumente und ihre Möglichkeiten. Die werden ausgereizt. Immer wieder geht es ans Limit, was Notenlängen und Tonalität angeht – man muss genau hinhören, entdeckt dafür umso mehr. Vielschichtig überlagern sich melodische Fragmente und reine Rhythmik.

Whisky mit Bier gemixt – das kann man auch hören

Ein Stück beschreibt einen Cocktail namens „small Special“ aus einem New Yorker Jazzclub. Whisky und Bier sind da zusammengeschüttet worden und man kann deutlich hören, wie es einen beim Probieren gleichzeitig beutelt und entzückt. Ein anderes Stück heißt wie ein Vergnügungspark auf Coney Island, nicht weit von Meinharts New Yorker Wohnung. Auch hier bildet die Vielstimmigkeit etwas sehr Konkretes und dennoch Undefinierbares, wild durcheinander Wuselndes ab. Das Rattern eines Rollercoasters mit kreischenden Passagieren vielleicht, daneben die Musik eines Kinderkarussells und woanders ein bellender Hund. Ist das E-Musik oder U-Musik? Und wozu überhaupt Schubladen?

Denn plötzlich wird es stiller, groovig, entspannt und fast getragen: Ein anderes Stück beschreibt die Melancholie der „given Time“, also die Zwangsruhe des Lockdowns, die viele Musiker zum Üben und Komponieren genutzt haben. Und das könne durchaus etwas Positives, Erfüllendes sein. Hier streicheln die Berlin People regelrecht die Seelen ihrer Zuhörer: Man kann das innerliche Aufatmen an vielen, genüsslich geschlossenen Augen ablesen. Die Dankbarkeit ist übrigens gegenseitig; auch für Meinhart und seine Freunde ist der Lockdown eben erst zu Ende und sein Dank „an die, die gekommen sind, ohne die unsere Musik gar nicht funktionieren kann“ korrespondierte mit sonorem Applaus.

[Text und Bild: Franz Nopper, Donau-Post]

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