Endlich doch da

von Johann Festner

Flez Orange spielten nach vier Jahren Wartezeit im Wörther Bürgersaal

Ein bisschen sind Flez Orange ja das Phantom der Wörther Kulturszene: Vier Jahre lang mussten die Wörther auf die Gruppe warten. Noch vor Corona sagten sie ihr Konzert im Bürgersaal erstmals ab: Der Hörsturz eines Bandmitglieds war damals schuld. Dann kam Corona und die große Unsicherheit – am Samstagabend waren sie dann endlich da. Laut Aussage von Matthias Klimmer (Klarinette, E-Gitarre, Gesang), dem Conferencier der Gruppe, sei es das sogar das erste Konzert seit Pandemiebeginn.

Als ob es keine Pause gegeben hätte

Das merkte man Flez Orange allerdings kaum an: Die fünf Musiker klingen vom ersten Stück an eingespielt, als ob sie gestern erst eine größere Tour beendet hätten. Flez Orange gibt es allerdings mittlerweile schon seit 21 Jahren. Man kennt sich also ganz gut.

Klimmer und seine Kollegen Veronika Keglmaier (Geige), Akkordeonist Stefan Fußeder, Jochen Rössler am Bass und Maximilian Maier (Schlagzeug, Ukulele) wirken auf der Bühne tiefenentspannt – lachen aber auch viel. Es wirkt, als hätte das Endlich-Wieder-Auftreten geradezu therapeutische Wirkung auf die Musiker.

Violinistin Keglmaier blickt mit einem Augenzwinkern auf die spielfreie Zeit zurück: „Mei haben wir Zeit gehabt. Ja, da haben wir bei uns Seiten entdeckt, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben.“ Die neu gelernten Zauberkunststücke und Jonglage-Einlagen präsentierte man dem Publikum im Stück „Zirkus“ – und natürlich gingen sie herrlich schief. Flez Orange, sollte uns das vermutlich sagen, bleibt bei der Musik.

Zauber der ganz eigenen Klangfarbe

Im Klang bedienen sie sich bei der Volksmusik ebenso, wie in verschiedenen Spielarten des Jazz, im Klezmer, dem französischen Chanson und in der Rockmusik. Dadurch entsteht eine ganz eigene Klangfarbe: „Erzlisch willkommen“ verbindet Walzer und französische Straßenmusik. Das Stück „Dandan Oilik“ kommt mit der Geschwindigkeit einer rumänischen Fanfare – einer sehr schnell spielenden Blasmusikkapelle – daher und verwebt in diesen fliegenden Teppich aus Klang noch gleich Klezmer und Elemente der bayerischen Volksmusik mit. Das alles spielt Flez Orange mit einer nonchalanten Brillanz, die schon fast frech wirkt.

„Dandan Oilik“ ist auch ein gutes Beispiel für ein wesentliches weiteres Element von Flez Orange: Die absurden Geschichten Klimmers, gerne eingeleitet mit dem Satz: „Das können Sie gar nicht wissen ...“. Dandan Oilik, sagt Klimmer, sei der Name eines von Sand verschütteten Ortes in der Wüste Takla Makan, wo die Wanderdünen so schnell seien, dass sie die Bewohner einfach überraschen. „Die waren auf einem Fest eingeladen, haben Fenster und Türen aufgelassen und waren schon verschüttet, als sie heimkamen.

“Flez Orange habe die Ortschaft dann entdeckt und zum zehnjährigen Jubiläum der Wiederausgrabung einen Marsch geschrieben, „der recht flott ist, weil die Menschen da wegen dem Sand recht schnell gehen müssen, aber trotzdem nicht weit kommen.“ Das Publikum dankt diese Ansprachen mit herzlichem Gelächter unter den Masken.

Leichtigkeit und Schwere

Selbst ein melancholisches Stück mit einem schweren Thema wie „Lethargie“ gerät Flez Orange durch den mehrstimmigen Gesang leicht, wie der ebenfalls besungene „Waldwind“. Doch die Leichtigkeit hat Grenzen: Darüber, dass das Publikum den ganzen Abend lang eine Maske tragen muss, kann man halt nicht ganz hinwegspielen.

Beim Stück „Kramer Annemierl“ merkt man außerdem, dass das Publikum ja gerne tanzen, sich zur Musik bewegen wolle. Aber es half alles nichts, denn es hat sich – frei nach Karl Valentin – nicht dürfen getraut: Da die Karten nicht verfallen sollten, mussten die 3G-Regeln eingehalten, Masken aufbehalten und das Tanzen unterlassen werden.

Im Stück „Maskenball“ verarbeiten sie auch die aktuellen Geschehnisse. „Es beschäftigt sich mit der Frage, wie trinke ich eine Tasse Tee, wenn ich in einem Konzert sitze, bei dem ich eine Maske aufhaben muss“, sagt Schlagzeuger Maier. In der rockigen Nummer fühlt man sich an das Anfangs-Gitarrenriff von „Eye of the tiger“ der Band Survivor erinnert – nur hebt der Song danach eben gerade nicht ab, bleibt also quasi hinter der Maske verborgen.

Feine Ironie, mit der Flez Orange der Musik, sich selbst, dem Leben und auch dem Publikum begegnet. So können wohl nur sie tatsächlich den Schlager der Sechziger- und Siebzigerjahre fern von Schlagerparty und Bierzelt wieder aufleben lassen: Jacqueline Boyers „Mitsou“ ist dafür ein Beispiel, wie auch die herrlich schmalzig eingespielte Vicky Leandros-Schnulze „Ich liebe das Leben“ als Abschiedslied.

Der langanhaltende Applaus hätte die Gruppe am Ende fast sogar noch zu einer zweiten Zugabe bewegt. Da bleibt es nur zu hoffen, dass es nicht wiederum vier Jahre und mehrere Absagen lang dauert, bis Flez Orange wieder nach Wörth kommen.

[Wolfgang Karl, Donau-Post]

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